Montag, 17. Dezember 2012

Weihnachtliche Camouflage





Hypnotic Red (L'Oreal Caresse) / Certainly Red (Revlon) / Lady Bug (MAC) / Ruby Woo (MAC) / Chili (MAC)

Hier ein eine kleine Parade der roten Lippenstifte, die mit mir zu den familiären Feiertagen kommen dürfen. Es hat mich Schweiß und Tränen gekostet, diese fünf auszuwählen. Die übertrieben geschminkten Teufel auf meinen Schultern versuchen mich noch immer zu überzeugen, dass doppelt so viele Lippenstifte gleich doppelt so schön und damit doppelt so viel Spaß bedeuten. Aber die moderne Frau reist mit leichten Gepäck. Und übrigens - nur weil ich nicht fotografieren kann, sehen die alle so gleich aus. Dabei sind die sowas von unterschiedlich. Und alle ganz toll und empfehlenswert. Warnungen muss ich nur bei Ruby Woo und Chili aussprechen... Ruby Woo ist matt und wunderschön und trocknet die Lippen aus wie ein Sandsturm. Man muss also lippenpflegetechnisch ziemliche Vorarbeit leisten und dann immer wieder mal kontrollieren, weil wenn er dann mal von den Lippen verschwindet (hält eeeeeeewig), dann krallt er sich unbarmherzig an den trockenen Stellen fest. Nicht so schön.
Chili ist mir noch ein Rätsel. Ebenfalls matt und so ein tolles Terracotta - Ziegel - Rot (????).  Sehr edel auf alle Fälle. Nur der rutscht irgendwie und verursacht einen "Spaghettisauceneffekt" um die Lippen. Ich habe noch keinen Plan, wie ich den im Zaum halte, aber ich werde einen Weg finden. Hab ja sonst nichts zu tun.

P.S. Rote Lippenstifte machen sich nicht nur im Kontrast zum weihnachtlichen Tannengrün hervorragend, sondern schmücken auch den tristen Alltag. Sorgfältig Lippenstift auftragen und dann der mutige Griff zum Staubsauger. Niemals war der Haushalt glamouröser! Ich persönlich bin auch stark am überlegen mir ein Krönchen anzufertigen.

Samstag, 15. Dezember 2012

Der Friedhof der vergessenen Bücher






Die Romane "Im Schatten des Windes" und "Das Spiel des Engels" handeln beide von scheiternden Schriftstellern, der Macht von Büchern und Barcelona. In beiden Werken besuchen die Hauptprotagonisten den Friedhof der vergessenen Bücher, der mit seinem kurzen Auftritt eine Art Dreh- und Angelpunkt für die Geschichten bietet. Anscheinend plant der Autor noch zwei weitere Bücher mit diesen Zutaten zu schreiben. Schöne Idee. Momentan bin ich aber eher nicht in der Stimmung noch ein Buch von Carlos Ruiz Zafón zu lesen. Hauptsächlich, weil mir "Das Spiel des Engels" noch etwas unverdaulich im Magen liegt.

Zuerst hatte ich "Im Schatten des Windes" gelesen und war angenehm überrascht. Spannung, Liebesgeschichte, Verbrechen, interessante Charaktere... alles vorhanden. Es hat jetzt nicht gerade mein Leben verändert, aber ich könnte es ohne Gewissensbisse jedem empfehlen, der ein kurzweiliges Lesevergnügen sucht. Und das ist durchaus als großes Lob gemeint.


"Es ist eine Geschichte von Liebe, Haß und den Träumen, die im Schatten des Windes hausen."


In dem Roman wird Daniel von seinem Vater zum Friedhof der vergessenen Bücher gebracht, wo er sich ein Buch aussuchen darf: Daniel wählt "Im Schatten des Windes" von Juliàn Carax. Daniel ist begeistert von dem Buch und beginnt Nachforschungen über den Autor anzustellen und wird dabei fast besessen von Juliàn.  Zusätzlich ist da noch die bedrohliche entstellte Figur, die offenbar nichts anderes im Sinn hat, als den Namen Juliàn Carax von der Erdoberfläche zu löschen, während Daniels eigenes Leben erstaunliche Parallelen zu Julians entwickelt. Letztendlich gelingt es ihm aber, sich mit Mut und Liebe dem angeblich unvermeidlichen Schicksal entgegenzustellen. Also alles in allem eine spannende Melange mit dem hübschen Kunstgriff Vergangenes mit dem Gegenwärtigen gelungen zu verflechten.




"Das Spiel des Engels" ist bei weitem komplizierter. Oder besser ausgedrückt, ist weitaus schwieriger zusammen zu fassen, obwohl er in der Struktur wahnsinnig ähnlich ist.
David Martin ist ein aufstrebender junger Schriftsteller. Während er an seinem Opus magnum arbeitet, hilft er gleichzeitig seiner großen Liebe Christine den Roman seines Freundes Pedro Vidal ohne dessen Wissen zu verbessern beziehungsweise komplett umzuschreiben. Vidals Buch wird ein voller Erfolg während Davids Werk ein Desaster ist; Vidal heiratet Christine, David stellt fest, dass er an einem unheilbaren Tumor leidet.
Ungefähr zeitgleich nachdem David vom Friedhof der vergessenen Bücher ein Werk namens "Lux aeterna" von einem gewissen D.M. mitnimmt, kontaktiert ihn der geheimnisvolle Verleger Andreas Corelli mit einem unwiderstehlichem Angebot. David soll für ihn eine "neue Religion" schreiben. Es ist der klassische Pakt mit dem Teufel den David hier eingeht.
Ab da wird dann die Geschichte auch immer schwerer nachzuvollziehen, Fantasie und Realität verschwimmen. David erkennt, dass der Autor von "Lux aeterna" ein ähnliches Angebot gehabt haben muss und durch einen grausamen (Selbst)mord ums Leben kam. Alle Menschen die mit David über das Thema reden, fallen einer Mordserie zum Opfer. David wird von der Polizei verdächtigt. Christina kehrt zu ihm zurück, nur um wieder zu verschwinden und wieder völlig geistesgestört aufzutauchen. Und am Schluss bewahrheitet sich eine alte Fotografie...

Die Idee mehrere Bücher mit dem Bezugspunkt des Friedhofs der vergessenen Bücher zu schreiben ist spannend, aber diese beiden Romane sind für mich in Aufbau und Beziehungsgeflecht zu ähnlich.
Es wirkt, als würden zwei mal dieselben Zutaten wiedergekaut, nur beim zweiten Mal ist das ganze zu einem unübersichtlichem Brei geworden. Man verzeih mir die schwache Metapher.
Positiv ausgedrückt, soll "Das Spiel des Engels" mehr zum Nachdenken anregen und nicht so leicht zugänglich sein... An sich finde ich das eine gute Sache. Es muss nicht immer alles auf einem Silbertablett in mundgerechten Stückchen serviert werden. Ich konnte mich aber dem Eindruck nicht entziehen, als wäre die Geschichte dem Autor über den Kopf gewachsen und er hat sie nicht konsequent zu Ende gedacht. Es ist ein Roman, der in den ersten hundert Seiten vielversprechend anfängt und dann in alle Richtungen zerflattert und zerfranst. 
Dabei sind dann auch sämtliche Charaktere, bis auf David, seltsam zweidimensional geblieben. Bei "Der Schatten des Windes" gibt es Fermín Romero de Torres, Daniels Freund und Komplize, mit dem so viel Leben und Humor in die Geschichte kommt. In "Spiel des Engels" haben wir Isabella, die Assistentin von David, die hier wohl die Rolle von Fermín übernehmen soll. Aber nur weil Wortwechsel als "sarkastisch"und "ironisch" beschrieben werden, sind sie es noch lange nicht. Auch die Liebesgeschichte zu Christine hat mich beim Lesen nicht gerade berührt, sondern eigentlich mehr verärgert. Ihre Handlungen sind schwierig nachzuvollziehen und es entzieht sich völlig meinem Verständnis, warum sie dann in der zweiten Hälfte des Buches so ein einsames, verwundetes Reh ist, deren Auge offensichtlich die Farbe "gebrochen" haben.

"Christine öffnete die Augen wieder und schaute mich mit diesem verwundeten, gebrochenen Blick an, der mich selbst in die Hölle verfolgt hätte."*

Vielleicht liegen die Schwächen in den Dialogen auch an der Übersetzung. Vielleicht klingen Sätze wie "Die Geschichte ist die Müllhalde der Biologie."** auf Spanisch poetisch und tiefsinnig. Aber nichts, wirklich nichts, versöhnt mich mit diesem Schluss. Das Ende von "Spiel des Engels" hat mich direkt wütend gemacht, weil ich das Gefühl hatte, der Autor nimmt seinen Leser nicht ernst. Ja warum nicht. Drücken wir der nicht mehr alternden Hauptperson seine Geliebte als Kind in die Hand. Oh nein. Ich habe das Ende verraten. Aber keine Angst. Das Ende verrät dafür nichts.



*Das Spiel des Engels, S. 494.
**Das Spiel des Engels, S. 275.


Freitag, 7. Dezember 2012

Die Decke der Arbeitslosigkeit

Die Decke der Arbeitslosigkeit ist ein Produkt meines unübertrefflichen Weitblicks und ein Zugeständnis an meine Eitelkeit. Man will ja auch dann, wenn man aufgrund falscher Lebensführung Haus und Hof verliert, etwas Darstellen. Am besten nicht nur etwas, sondern das Richtige. Ja, ich bin so oberflächlich. Niemand soll mir vorwerfen, ich gehe hier unvorbereitet Richtung "neuer Lebensabschnitt".




Es wird also eine Häkeldecke. Der Plan ist einerseits durch den Rausch von Farben Fröhlichkeit und Lebensmut zu versprühen, aber auch durch die passende Qualität (mein Häkeltalent ist unterirdisch) zu zeigen, dass man neben dem modischen Feingefühl auch den passenden Galgenhumor hat. Mit dem richtigen Outfit wird klar kommuniziert, dass man jedenfalls die beste Gesellschaft ist um den einen oder anderen Fusel zu teilen. Außerdem ich hoffe so, meinen Sandler*königinnen - Spitznamen möglichst bald zu erlangen (ohne  Umweg über diverse Schlägereien oder andere kleinere Gaunereien). Ich stelle mir auch vor, dass "Häkeldeckentantchen" den richtigen Effekt haben wird. Nur mindere Bösewichte müssen auf ihren gemeinen Charakter in ihren Decknamen hinweisen. Man kann getrost davon ausgehen, dass "Messerstecher-Reini" und "Eisenfaust-Rudi" in Wahrheit ziemlich sanfte Angsthasen sind. Doch bei "Häkeldeckentantchen" ist das erste und wichtigste Element die Verwirrung und der nächste logische Schritt kann dann nur Furcht und Demut sein. So denke ich, ist mir das kuscheligste Plätzchen unter der Brücke sicher. Eine weitere Hoffnung sind kleine Bestechungsgeschenke. Zum Beispiel eine freundliche Ratte, die ich dann in meiner Handtasche aka Plastiktüte mit mir herum tragen kann.

Die Arbeitsweise kommt außerdem meinem flatterhaften Wesen durchaus entgegen. Schön monoton und nicht zu langwierig. Mit jedem kleinen Grannysquare hat man schließlich etwas geschafft und das ist für meine angeschlagene Psyche gerade unerlässlich.





GrannysquareCount: 104











*Ein Sandler wäre ein Obdachloser ... Doch ganz egal wie tief er fiel / der Eberhard verfiel mit Stil / er war ein Sandler ganz besondr'er Art / Der einzige vom  Südbahnhof / der statt Fusel Glühwein soff / das war der Sandlerkönig Eberhard!

Montag, 3. Dezember 2012

Gruppenbild mit Dame

Wenn einem schon aufgrund der momentanen Lebenssituation so viele Ebenen des Smalltalks verwehrt bleiben, so möchte man zumindest hin und wieder mit überheblichem Gesicht die Bildungsbürgerin darstellen. Was gibt es schöneres als mit einem gekonnten Zitat das Gegenüber wieder in seine Schranken zu verweisen. Nicht nur Bildungsbürgerin. Auch Kleinbürgerin. Deswegen ein unerschrockener Griff in die Zauberkiste der deutschen Literatur und siehe da - etwas Wunderbares.



Meine Erfahrungen mit Heinrich Böll sind so gut wie nicht vorhanden. Das mag jetzt alle überraschen, die schon zu Schulzeiten sämtliche Böll Werke zumindest einmal in der Hand gehalten haben und sich  auch heute nicht weigern wieder mal eins in ihre physische Nähe zu lassen.
Ich habe keine Entschuldigung für meine Vernachlässigung und werde doch eine vorbringen: meine Deutschlehrerin. Lese- sowie unterrichtsfaul wurden wir von ihr irgendwann mit dem Film zum Buch beglückt und in meiner Erinnerung war das eine mehr als trockene Angelegenheit (auch hier wahrscheinlich ein Fehlurteil). Jedenfalls kam ich irgendwie nie auf die Idee Böll zu lesen.

Und dafür kann ich mich, nachdem ich "Gruppenbild mit Dame" gelesen habe, eigentlich nur ohrfeigen. In Wahrheit war es mehr ein Aufstampfen und der 182 Fluch Richtung Schulbildung. Aber meine Schuld. Ich hatte mehr als genug Zeit und Gelegenheit mein Versäumnis aufzuholen. Niemand zwingt einen stattdessen fünf mal hintereinander die Harry Potter Reihe zu lesen.



"... das Mädchen ist ein Phänomen. Man wußte nie so genau, ob sie sehr tief ist oder sehr flach - und es mag widersprüchlich klingen: ich glaube, sie ist beides, sehr tief und sehr flach, nur eins ist sie nicht und nie gewesen: ein Flittchen. Das nicht. Nein."

Gruppenbild mit Dame also - die Geschichte von Leni: Russenliebchen, Genie der Sinnlichkeit,  mit einer unverzichtbaren Vorliebe für frische Brötchen.  Dabei tritt sie selbst als Person nur einmal auf. Man lernt sie über die Menschen in ihrer Umgebung kennen, mit denen der "Verfasser" im Zuge seiner Leni-Recherche Gespräche führt. Dabei kann sich kaum jemand ("Verfasser" und Leserin eingeschlossen) ihrer Anziehungskraft entziehen. Und während man da Leni immer mehr lieben lernt, entsteht gleichzeitig ein Bild der deutschen Gesellschaft der kleinen Leute mit ihren Gaunern, Verbrechern und Unschuldigen während und nach dem zweiten Weltkrieg. Durch Bölls unaufgeregte Erzählweise werden die Schrecklichkeiten oft noch schrecklicher, aber er hilft seiner Leserschaft mit seinem trockenem Humor oft über die diversen Ungeheuerlichkeiten hinweg. Dabei ist nie etwas bemüht oder platt, sondern liebevoll und voller phantastischer Einfälle.
Als Beispiel für die unheimliche Dichte der Erzählung ist hier nur eine kleine Nebengeschichte von drei bis vier Seiten angeführt: Lenis Vater führt während des 2. Weltkriegs eine Scheinfirma, in der er angebliche russische Kriegsgefangene arbeiten lässt. Die russischen Namen hat er gekauft, völlig ahnungslos, dass ihm dabei Namen von russischen Autoren untergejubelt wurden. Aufgedeckt wird der Betrug schließlich von einem beim Finanzamt arbeitenden Philologen namens Scholsdorff, dessen Spezialgebiet die russische Literatur des 19. Jahrhunderts ist. Dieser Scholsdorff leidet wahnsinnig unter der Vorstellung, dass seine literarischen Helden zu einer solch unpassenden Arbeit gezwungen werden - er muss Nachforschungen anstellen. Dabei wird er wiederum entdeckt und wird so zum Hauptzeugen der Anklage gegen Lenis Vater. Diese grandiose Idee hat mich während dem Lesen zu einem (bei weitem nicht meinem einzigen) Freudentänzchen angestiftet.

Jedenfalls sollte man, wenn man wie ich bisher jede Gelegenheit Böll zu lesen arrogant in den Winde geschlagen hat, zumindest Gruppenbild (wie ich es inzwischen liebevoll nenne... so gut sind wir inzwischen miteinander) eine Chance geben.
Und in meinen mehr oder minder zahlreichen Gesprächen, werde ich sexuelle Begebenheiten ab jetzt nur mehr als Heidekrauterlebnisse bezeichnen. Klingt viel ansprechender als die meisten Vokabel, die einem die deutsche Sprache in diesem Fall zur Verfügung stellt. Genug Heidekrauterlebnisse für alle!