Montag, 29. Juli 2013

Die wundersame Geschichte von September, die sich ein Schiff baute und das Feenland umsegelte...




von Catherynne M. Valente




Dieses Buch mit dem umständlichen Titel war seit langem wieder einmal eine sehr positive Überraschung am Lesehimmel. Obwohl diese Art von Geschichten ganz klar in mein Beuteschema passen, war ich längere Zeit unschlüssig, ob ich überhaupt Lust darauf habe. Der Titel war mir eindeutig zu verspielt und zu gezwungen schnörkelig und schrullig, dass ich schon schlimme Befürchtungen hatte. Aber Hut ab - Frau Valente hat hier sehr gekonnt etwas Großartiges geschaffen.



September, ein aufgrund von Kriegswirren eher unbaufsichtigtes und willenstarkes Mädchen, lässt sich vom Grünen Wind ins Feenland bringen. Dort herrscht inzwischen nicht mehr eine gütige Königin, sondern eine sehr auf Regeln bedachte und schreckliche Marquess. Die Marquess braucht September um einen bestimmten magischen Gegenstand aus dem Feenwald zu holen, ansonsten drohen schreckliche Konsequenzen und besonders Septembers neuen Freunden, dem Lindwurm A-bis-L und dem blauen Dschinn Samstag, soll das Leben zur Hölle gemacht werden. Schweren Herzen macht sich September auf um der Marquess zu helfen und muss dabei natürlich allerelei Abenteuer bestehen und erkennen, dass ihre Gegenspielerin sich an keine Regeln hält.






Die Geschichte selbst hält sich grundsätzlich an ein klassisches Schema, welches man vom Zauberer von Oz oder Alice im Wunderland kennt - Bücher denen oft nachgeeifert wurde, aber deren Besonderheit selten erreicht wird. Es reicht nicht, bloß eine Welt mit grotesken Gestalten zu bevölkern und diese mehr oder minder humoristische Antworten in den Mund zu legen. Das Ganze muß wie ein bunter orientalischer Teppich gewebt werden, aus vielen einzelnen Farben und Charakteren die zusammen ein fantastisches Bild ergeben. Und in diesem Fall geht die Vielfalt der Ideen einher mit wunderbaren Beschreibungen und Dialogen. (Ich kann jetzt leider wenig zu der deutschen Übersetzung sagen, da ich das Buch auf Englisch gelesen habe.)
Das Großartige an diesem Buch sind vor allem auch die unerwarteten schaurig, düsteren Stellen. Es ist (Gott sei Dank) nicht alles Cupcakes mit Zuckerguss in diesem Feenland, sondern mich hat es ehrlich bei manchen Stellen richtig gegruselt. Diese Schattenseiten haben ihre Wurzeln in sehr realen Ängsten und Kummer, was aber all die positiven Dinge noch mehr glänzen und scheinen lässt. Es wird nicht einfach eine Geschichte voll Flitter und Albernheiten erzählt, sondern diese sind Verbunden mit einer tieferen Ebene der Erzählung. Und ja das klingt abgedroschen, ist aber so!
Zuletzt, aber nicht minder wichtig ist die liebevolle Gestaltung des Buchs: die wunderschönen Illustrationen stammen von Ana Juan.

Dieser Band ist der erste Teil einer Trilogie, wobei die Geschichte laut Rezensionen noch dunkler wird. Der zweite Band ist letztes Jahr erschienen und der dritte Band wird Oktober dieses Jahres erwartet.
Empfehlung an alle, die Alice im Wunderland lieben, und es gerne düsterer mit einer noch sympathischeren Titelheldin hätten.





Band #1: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making, 2011

Band #2: The Girl Who Fell Beneath Fairyland and Led the Revels There, 2012

Band #3: The Girl Who Soared Over Fairyland and Cut the Moon in Two, 2013

 

Sonntag, 21. Juli 2013

Brideshead Revisited von Evelyn Waugh



Wiedersehen mit Brideshead...




Selten hat mich ein Buch so verwirrt zurück gelassen wie dieses. Ich habe es in einem Schwung mit großem Vergnügen und Schaudern gelesen, aber ich kann die Frage, worum es in der Geschichte nun eigentlich geht, nicht wirklich beantworten. Ich habe auch etwas halbherzig in den Weiten des Internet gestöbert und die meisten Interpretationen beziehen sich auf die Suche und Umgang mit dem (katholischen) Glauben oder es wird die vermeintlich homosexuelle Liebesgeschichte betont.
Das die christliche Gesinnung in der katholischen Spielart Dreh- und Angelpunkt ist, wird eigentlich durch Evelyn Waughn selbst bestätigt, hat er sich doch in diesem Sinn zu seinem Werk geäußert und schließlich ist er selbst zum Katholizismus konvertiert. Falls er aber ein positives Plädoyer schreiben wollte, dann ist das bei mir sehr daneben gegangen. Am ehesten sehe ich hier noch das Protrait einer Familie, die durch die lange Tradition und Erziehung im katholischen Glauben in Verbindung mit dem typisch erscheinenden Gebaren der adeligen Oberschicht, langsam aber sicher zerbricht und in sich erstarrt.



Das Buch erzählt die Geschichte der adeligen Familie Marchmain aus den Augen des Erzählers Charles Ryder, über den man, obwohl Hauptprotagonist, hauptsächlich etwas in Verbindung mit den Marchmains erfährt.
Charles lernt den jüngeren Sohn der Familie - Lord Sebastian Flyte- in seinem ersten Jahr an der Universität in Oxford kennen und verbringt mit ihm und seinen exzentrischen Freunden eine wundervolle Zeit. Er liebt Sebastian (ob platonisch oder nicht sei hier dahin gestellt), wundert sich aber immer darüber, dass er  kaum etwas über seine Familie erzählt und auch ganz offensichtlich versucht jeglichen Kontakt zu vermeiden. Von großer Bedeutung ist, dass Sebastians Familie katholisch ist und sich Lord Marchmain von seiner Frau getrennt hat und mit seiner Geliebten in Italien lebt. Lady Marchmain wiederum scheint eine Art Heilige zu sein, die mit großem Einfluß und Unfehlbarkeit über ihre Familie wacht.

'Yes, but it's all the bother - mummy and Bridey and all the family and the dons. I'd sooner go to prison. If I just slip away abroad they can't get me back, can they? That's what people do when the police are after them. I know mummy will make it seem she has to bear the whole brunt of the business.'
(Sebastian zu Charles, nachdem sie nach einer Sauftour, betrunken mit Prostituierten von der Polizei aufgegriffen wurden) 

Charles lernt dann doch Sebastians Familie kennen und kann sich vor allem der Mutter nicht entziehen. Währendessen entgleitet Sebastian aber immer mehr und ergibt sich ganz seinem schon früher angedeuteten Alkoholismus, der sich nun nicht mehr verbergen lässt. Lady Marchmain entwirft einen Plan, wie Sebastian wieder unter Kontrolle zu bekommen ist und will dabei auch Charles Hilfe, die er ihr aber verweigert. Es kommt zum unweigerlichem Bruch mit Sebastian und seiner Familie.

Nachdem Charles sich als Architekturmaler etabliert hat, heiratet er und bekommt zwei Kinder. Nach einem längeren Forschungsaufenthalt, tritt er mit seiner Frau (die extra angereist ist) die Schifffahrt nach Europa an. Auf demselben Schiff befindet sich auch Julia, Sebastians Schwester, die sich in Trennung von ihrem Ehemann befindet. Ein Sturm bringt die beiden näher zusammen und sie verlieben sich ineinander. Beide wollen sich scheiden lassen um dann einander zu heiraten. Nachdem aber Lord Marchmain aufgrund schwerer Krankheit nach England zurückkehrt und am Totenbett wieder zu seinem katholischen Glauben findet, wird auch Julia in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Sie fühlt sich von ihrem Glauben bestimmt und denkt nicht, dass sie ein Leben als wiederverheiratete Geschiedene führen kann und verlässt Charles.
Das Schicksal vom familiären Glauben nicht loszukommen scheint der ganzen Familie bestimmt zu sein: Sebsastian, durch seine Trunksucht im Sterben liegend, hat Zuflucht in einem Kloster gefundenen und die jüngere Schwester geht vollkommen in der Ausübung christlicher Nächstenliebe auf. Das Buch beginnt und endet im Frühjahr 1943 (oder 1944) - Charles ist bei der Armee beschäftigt und findet sich plötzlich am Familiensitz der Marchmain - Brideshead - wieder, welches für militärische Zwecke genützt wird. Zum Abschluss besucht er die dazugehörige Kapelle um dort zu beten.

'There was one part of the house I had not yet visited, and I went there now. The chapel showed no ill effects of its long negelects; the art-nouveau paint was as fresh and bright as ever; the art-nouveau lamp burned once more before the altar. I said a prayer, an ancient, newly-learned form of words, and left, turning towards the camp...'

Wie bereits angeprochen, fällt es mir schwer hier das große Thema anzusprechen. Der Roman hat bei mir hauptsächlich ein Gefühl ausgelöst beziehungsweise hinterlassen, welches ich nicht richtig benennen kann. Anstatt hier also ein Großes und Ganzes zu präsentieren, kann ich  nur mit Einzelteilen aufwarten, die vielleicht keine Summe ergeben.

Zu allererst: es ist streckenweise ein sehr lustiges Buch, speziell am Anfang. Die ersten Begegnungen zwischen Sebastian und Charles sind exzentrisch und komisch. Die Unterhaltungen zwischen Charles und seinem Vater (als Charles eher unfreiwillig in den Ferien etwas Zeit bei ihm verbringt) haben mich laut zum Lachen gebraucht.
Charles selbst hat mich immer mehr kalt gelassen, was aber auch irgendwie mit seiner Entwicklung korespondiert. Ich mochte Charles zu Beginn aufgrund seiner großen Zuneigung zu Sebastian. Er wollte Zeit mit ihm verbringen und Teil seines Lebens sein. Er war verletzt, wenn Sebastian ihn ausschloß. Das ließ Charles selbst liebenswerter sein. Im Lauf der Geschichte, nachdem Sebastian die Bühne verlassen hatte, war Charles aber eigentlich immer kühler ohne Bezug zu einer anderen Person. Auch seine Liebe zu Julia wirkte nicht so intensiv wie die zu Sebastian (auch wenn er beide immer wieder miteinander vergleicht).
Die Gefühlskälte in diesem Roman war für mich überhaupt sagenhaft. Sebastian ist zum Beispiel eine Figur für die ich die ganze Zeit stark mitgefühlt habe. An irgendetwas zerbricht dieses aristokratische Geschöpf, sei es an seinem katholischen Glauben oder seiner Familie oder an beidem zusammen. Seine Flucht in den Alkohol wird von seiner Familie erst als ein Problem anerkannt, als es zu "Peinlichkeiten" kommt. Sebastian muss irgendwie unter Kontrolle bekommen werden und dafür wird ein Babysitter engagiert, der auf ihn aufpassen soll. Damit hat man das Ganze dann erledigt. Die Distanziertheit und das egoistische Interesse, das einem da in den Dialogen entgegenschlägt ist eines der großartigsten und widerlichsten Dinge, die ich je gelesen habe.
Deswegen verstehe ich das katholische Thema des Romans nicht. Es ist anzunehmen, dass Evelyn Waugh aufgrund seines persönlichen Bekenntnis, ein postives Bild dieser Glaubenspielart darstellen wollte. Aber die Religion wirkt hier nicht wie eine Stütze, sondern wie eine Art Auflage, die erfüllt werden muss und man versucht sich zu befreien, kämpft dagegen an, kehrt aber am Schluß wieder in den Mutterschoß der katholischen Kirche zurück - weil man ist, was man ist. Deswegen wird nicht unebdingt das eigene Leben schöner oder man selbst zum besseren Menschen, aber die Regeln müssen befolgt werden. Es ist etwas für Außentehende Unbegreifliches, ein Kodex, dem man sich fügen muss.

Trotz all dieser Fragezeichen und Leerstellen war "Brideshead Revisited" ein großartiges Buch. Warum genau, weiß ich leider nicht.



Evelyn Waugh, Brideshead Revisited, erstmals 1945 erschienen












































Dienstag, 9. Juli 2013

Skulduggery Pleasant 1-3 von Derek Landy



Nach meiner kleinen Leseflaute (und nachdem ich an keines der von der lieben Papyrus empfohlenen Bücher so schnell ran gekommen bin), habe ich den einfachen Weg gewählt - knallig und schnell sollte es sein. Eines gleich vorweg - man muss Fantasy, Kampfszenen und flotte Sprüche mögen (besser sogar lieben). Leute, die Spaghetti Western mit Bud Spence und Terence Hill lustig finden, könnten hier ihre Fantasy Heimat finden. Ich habe die drei ersten Bücher (die wie eine Trilogie eine zusammenhängende Geschichte ergeben) in einem großen Skulduggery Pleasant Fest schnurstracks durchgelesen. Geht ganz einfach.









Als der berühmte Horror Schriftsteller Gordon Edgley stirbt, hinterlässt er den Großteil seines Vermögens seiner Lieblingsnichte Stephanie und verstrickt sie damit in Ereignisse, die schon lange vor seinem Tod (und seiner Geburt) ihren Lauf genommen haben.
Nachdem Stephanie von einem Unbekannten in Gordons Haus attakiert wird, wird sie von Gordons Freund Skulduggery Pleasant gerettet, ein ungefähr 400 Jahre altes Skelett, großartiger Magier und auch so ziemlich der beste Dedektiv überhaupt. Skulduggery zeigt Stephanie eine Welt voller Magie und wundersamer Gestalten, wie Ghastly Bespoke, ein extrem talentierter und hässlicher Schneider, oder die wunderschöne und gefährliche China Sorrows. Die 12jährige Stephanie ist fasziniert von dieser Welt und will nicht mehr in die "normale" Welt zurückkehren. Da sie ein ziemlich stures, mutiges und kluges Mädchen ist und Skulduggery nicht die üblichen Skrupel hat, Minderjährige in gefährliche Abenteuer mitzunehmen, wird Stephanie zu Valkyrie Cain und seiner Assistentin.
Gemeinsam versuchen sie dem Mörder von Stephanies Onkel auf die Spur zu kommen und merken, dass sie dabei sind eine viel größere Verschwörung aufzudecken. Der große Krieg zwischen den guten und den bösen Zauberern,
welcher damals Skulduggery seiner fleischlichen Hülle beraubt hat, ist noch lange nicht vorbei. Finstere Gestalten wollen beenden, was damals begonnen wurde und Stephanie spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Mit dabei sind außerdem ausführliche Kampfszenen, flotte Sprüche und in-letzter-Minute-Rettungen.










Die Bücher sind eindeutig an ein jüngeres Publikum (etwa im Alter der Heldin) gerichtet und sicher ein gutes Geschenk für einen lesenden Teenager im Bekanntenkreis. Trotzdem kann man sie gut als Erwachsener lesen, man muss nur das klassische Genre des Dedektiv Romans oder Ähnliches mögen. Magie wird hier hauptsächlich benutzt um Kampfszenen interessanter zu gestalten (was aber nicht heißt, dass nicht auch klassische Boxschläge zur Genüge zum Zug kommen) und die Beschreibung solcher füllt dann schon mal mehrere Seiten. Und nicht zu vergessen ist, dass man dabei natürlich auch immer ein paar sarkastische Sprüche für den übermächtigen Feind aus dem Ärmel schütteln muss. So etwas muss man mögen und ich bin dabei bestens unterhalten - wie gesagt: Bud Spencer und Terence Hill oder auch Bruce Willis Fans kommen hier voll auf ihre Kosten.
Die entworfene Welt ist nicht allzu kompliziert und oft wird mit Zauberei das eine oder andere erzählerische Problemchen gelöst  (zum Beispiel wie gelingt es einer 12jährigen nächtelang wegzubleiben und ihre diversen blauen Flecken zu verstecken), aber das Ganze ist nicht zu an den Haaren herbei gezogen und das magische Universum steht auf soliden Füssen.
Was mir die Geschichte noch einmal sympathischer macht ist, dass es zu keinerkei Romantik kommt. Skelett und 12jähriges Mädchen haben ganz klar wenig sexuelle Anziehungskraft, dafür gibt es hier sehr viel Mut und Freundschaft. Und Landy hat ein tolles Talent für Namen.  Es hört nur ziemlich oft zu regnen auf.





Die reisserischen Titel der deutschen Ausgaben sind hier kein Übersetzungsfiasko, sondern durchaus stimmig...

Skulduggery Pleasant 01. Der Gentleman mit der Feuerhand, 2007.
Skulduggery Pleasant 02. Das Groteskerium kehrt zurück, 2011.
Skullduggery Pleasant 03. Die Diablerie bittet zum Sterben, 2012