Sonntag, 12. Januar 2014

"Gute Geister" von Kathryn Stockett




Mit einem unerklärlichem Südstaatentick ausgestattet und nachdem ich letztes Jahr mit großer Begeisterung "Gone with the Wind" gelesen habe, musste ich früher oder später natürlich auch "Gute Geister" (im engl. Original: "The Help") lesen.
"Vom Winde verweht" wird in "Gute Geister" öfters erwähnt - es ist quasi das Negativ von dem sich "Gute Geister" abheben will. Das "Vom Winde verweht" voller verklärender Romantik der eigenen Geschichte gegenüber ist, möchte ich  gar nicht bestreiten. Aber als aufmerksame Leserin wird einem der innwohnende Rassismus der damaligen Gesellschaft kaum entgehen. Es stimmt, dass Scarletts heißgeliebte "Mammy" nicht nach ihrer Meinung gefragt wurde; es ist kein Buch, dass die Sklaverei aus der Sicht der Betroffenen zeigt. Aber es zeigt die Täter (wenn auch von der Autorin ungewollt) sehr wohl; vielleicht nicht die offen brutalen Sklavenhalter, aber die "netten", die das System genauso mitgetragen und mitgestaltet haben. Kathryn Stockett will also nun in ihrem Buch den schwarzen Haushaltshilfen eine Stimme geben.

"And," I felt compelled to continue, "everyone knows how we white people feel, the glorified Mummy figure who dedicates her whole life to a white family. Margaret Mitchell covered that. But no one ever asked Mammy how she felt about it."
(Miss Skeeter zu Elaine Stein)



Die Geschichte spielt in Jackson, Missisippi in den Jahren der Bürgerrechtsbewegung. Schwarze müssen getrennte Toiletten, getrennte Eingänge und eigene Bibliothekten benützen. Schwarze Frauen arbeiten als Dienstmädchen für weiße Familien und ziehen ihre Kinder groß, dürfen aber nicht am selben Tisch essen wie ihre Arbeitgeber. Es wird aus drei Perspektiven erzählt -  da sind die schwarzen Haushaltshilfen Abileen und Minnie und "the white lady" Miss Skeeter. Miss Skeeter will Journalistin werden und nachdem sie in New York zu einem Verlag Kontakt aufnimmt, entsteht die Idee eine Sammlung von Interviews mit schwarzen Haushaltshilfen über ihr Leben und ihre Arbeit zu machen. Sie findet eine Verbündete in Abileen, doch die Arbeit an dem Buch gestaltet sich schwierig. Groß sind die Grenzen, die es zu überwinden gilt und groß sind auch die Gefahren.

Die Autorin des Buches, Kathryn Stockett, ist weiß und aus Missisippi. Man braucht das Nachwort im Buch eigentlich nicht lesen, um zu realisieren, dass sie sich mit der Figur von Miss Skeeter selbst beschreibt; aber das Nachwort hilft das Buch als das anzunehmen, was es sein will.
Denn die große Frage ist, inwieweit kann eine Weiße heute aus der Perspektive von schwarzen Angestellten in den 60ern schreiben? Wie weit kann man sich wirklich in eine Situation versetzen, die man selbst nie erlebt hat und so auch hoffentlich nie erleben wird? Wie kann man die Stimme der Opfer annehmen, wenn man eigentlich zu den Tätern gehört? In einem Abschnitt des Buches heißt es:

"White people been representing colored opinions since the beginning a time."

Passiert das nicht auch hier? Darf man das? Ich habe dazu noch immer keine abgeschlossene Meinung... Denke ich (zum Beispiel), dass eine weibliche Autorin nicht aus der Perspektive eines männlichen Protagonisten schreiben darf? Eigentlich nicht. Denke ich, dass ein Mann einen feministischen Roman aus der Sicht einer Frau schreiben kann? Vielleicht, aber ich stelle es mir schwierig vor. Möchte ich, dass fiktiver Literatur Fesseln einer bestimmten Perspektive auferlegt wird? Sicher nicht! Wäre es besser gewesen Kathryn Stockett hätte von Abileen und Minnie aus der Perspektive von Miss Skeeter erzählt? Ich weiß es nicht. Kathryn Stockett selbst schreibt, dass sie selbst nicht rechtzeitig daran gedacht hat ihre "Mammy" Demetrie nach ihrer Meinung zu fragen und dass sie mit ihrem Buch eine Annäherung, ein Verstehen versucht:

"What I'm sure about is this: I don't presume  to think that I know what it really felt to be a black woman in Mississippi, especially in the 1960s. I don't think it is something any white woman on the other end of a black woman's paycheck could ever truly understand. But trying to understand is vital to our humanity."
(Kathryn Stockett im Nachwort zu "The Help")

Abgesehen davon liest sich das Buch schnell und man fühlt mit Abileen, Minnie und Miss Skeeter. Die Charaktere selbst sind etwas flach, wie von der Stange. Man hat die gutherzige Abileen und die zornige Minnie. Es sind also die grundsätzlich möglichen/vorstellbaren Gefühlswelten abgedeckt. Von den anderen interviewten Haushaltshilfen erfährt man wenig. Einen etwas größeren Auftritt bekommt noch Gretchen, die Miss Skeeter vorwirft, dass sie nur eine weitere Weiße ist, die von den Schwarzen profitieren will. Die weinerliche Verletztheit von Miss Skeeter und die Empörung von Abileen nach Gretchens Auftritt, sind allerdings etwas schwer verdaulich.
Im englischen Original haben Abileen und Minnie einen augeprägten Dialekt, während alle Weißen perfektes Englisch sprechen. Ein Detail, dass sicher zur "Authentizität" beitragen soll, aber zumindest bei Miss Celia etwas ins Stolpern gerät - Miss Celia wird als "white trash" mit einem tiefen Südstaaten Slang beschrieben - in der direkten Rede jedoch merkt man davon bei ihr aber nichts.
Miss Skeeter ist wahrscheinlich der am besten ausgearbeitete Charakter, was aufgrund der autobiographischen Züge nicht verwundert. An ihr wird auch deutlich gezeigt, wie leicht sie Teil dieses Systems werden hätte können und dass uns oft nur kleine Abweichungen und Zufälle davor retten, den bequemen Weg zu gehen.

Im klassischen 5-Sterne System habe ich dem Buch vier gegeben, was vielleicht verwundert. Aber trotzdem alle meine Zweifel bestehen bleiben, sind sie erst beim späteren Nachdenken verstärkt in den Vordergrund getreten. Beim Lesen selbst konnte ich mich voll auf die Geschichte einlassen und  das Buch kaum aus der Hand legen. Ich hoffe aber bald Susan Tucker's "Telling Memories among Southern Women" habhaft zu werden - ein Buch mit 42 Interviews mit schwarzen und weißen Frauen, das auch Kathryn Stockett für ihr Werk gelesen hat.





Martin Luther King - "I have a dream" Speech - 28. August, 1963




3 Kommentare:

  1. Schön wieder von dir zu lesen. Natürlich steht das Buch noch ungelesen in meinem Regal, trotzdem eine Anmerkung zu deinen Gedanken:
    Es stellt sich ebenso die Frage, inwieweit sich eine junge Schwarze in die 60er Jahre hineinversetzen kann. 100%ig gelingt ihr dies nicht, sie muss auch auf die Erzählungen ihrer Eltern, Großeltern, etc. zurückgreifen. Trotzdem ist es gut sich mit der Thematik auseinander zu setzten und da ist es egal ob schwarz, weiß oder grün. Wenn man keine eigene Autobiographie schreibt, kann man immer nur eine Ahnung davon haben, wie es anderen Menschen ging und geht. Die Auseinandersetzung, die Recherche ist wichtig. Sonst dürfte es auch keine historischen Romane geben (auch wenn hier nicht immer von Qualität zu sprechen ist) und erst recht keine Krimis. Glücklicherweise gelingt es aber auch hier den Autoren über Morde zu schreiben, ohne es selber als Mörder tätig gewesen zu sein.
    Nach deiner Rezi freue ich mich aber sehr auf die Lektüre.
    P.S. Wie du weißt liegt hier noch ein Buch für dich. Soll ich es noch einmal schicken, oder gibt es jetzt eine Packstationanschrift?

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    1. sehr schöne Antwort - danke :)
      oha... das Buch hatte ich schon voll vergessen. das ist jetzt wie eine verspätete Weihnachtsüberraschung. Sehr schön. Also der Tanten Haushalt ist momentan durchgehend besetzt und die wahnsinnige Sommer-Postaushilfe ist Gott sei Dank auch eine Aushilfe geblieben und wir haben wieder unsere zuverlässige Postfrau. Also wenn du es noch einmal riskieren würdest, dann würde ich mich wahnsinnig freuen :)

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  2. Ich werde es Freitag noch einmal zur Post bringen. Fehlen mir noch Angaben (ich bin gerade im Büro, kann also nicht auf den alten Umschlag schauen), melde ich mich nochmal.

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