Montag, 20. Mai 2013

Die Austen Abenteuer #2 - "Verstand und Gefühl"






                                                                                                          Die Austen Abenteuer...



oder "Was würde Elinor Dashwood tun?"


"Sense & Sensibility" beziehungsweise "Verstand & Gefühl" ist das Zweite von Jane Austen geschriebene Buch und sie macht hier doch einen ziemlich komplexen Sprung in der schriftstellerischen Weiterentwicklung im Vergleich zu Northanger Abbey.

"I considered the past: I saw my own behaviour, since the beginning of our acquaintance with  him last autumn, nothing but a series of impudence towards myself, and want of kindness to others. I saw my own feelings had prepared my sufferings, and that my want of fortitude under them had almost led me to the grave" (Marianne Dashwood)



Pinguin Classics; Gestaltung Coralie Bickford-Smith
In dem Roman geht es vor allem um das Geschwisterpaar Elinor und Marianne Dashwood. Zu Beginn werden wir mit ihren veränderten Lebensumständen konfrontiert: Ihr Vater ist plötzlich verstorben und obwohl dieser durchaus gut situiert war, sind die beiden, inklusive ihrer Mutter und der kleineren Schwester, nun auf sehr magere Mittel angewiesen. Aufgrund den Bestimmungen und Vorstellungen der damaligen Zeit, dass ein erstgeborener Sohn immer mehr Rechte hat, wird alles ihrem Halbbruder John Dashwood vermacht. Der Vater ringt diesem zwar am Todesbett noch das Versprechen ab, sich um seine Familie zu kümmern, doch Geiz und seine Frau lassen ihn dieses Versprechen bald vergessen.
Die Familie lebt noch eine Weile mit John auf dem familiären Anwesen, da sie so plötzlich keine neue Unterkunft finden können. Während ihres Aufenthaltes kommt der Bruder, Edward, von Johns Ehefrau Fanny zu Besuch und es wird offensichtlich, dass Elinor und Edward von Tag zu Tag immer mehr Gefallen aneinander finden. Diese Bindung von Seiten seiner Familie strikt abgelehnt, wie Fanny Elinors Mutter deutlich macht. An dem Tag, als Elinor mit ihrer Familie Richtung neue Heimat zieht, hat Edward noch immer nicht den entscheidenden Schritt gewagt und obwohl Elinor sich seiner Liebe sicher ist, gibt es doch keine Gewißheit.
Elinor und ihre Familie bekommen von einem anderen Verwandtschaftszweig das Angebot ein kleines Cottage zu mieten.  Die Dashwoods nehmen diese Gelegenheit wahr und ziehen in eine komplett fremde Gegend und werden dort aber sehr herzlich aufgenommen. Marianne macht hier dann schon bald ihre erste Eroberung  - Colonel Brandon scheint vom ersten Augenblick sehr von ihr fasziniert zu sein, stößt dabei aber auf wenig Gegenliebe. "Zu alt" ist das klare Urteil der 17 jährigen Marianne gegenüber einem Mann über 30. Außerdem trifft Marianne nach einem kleinen Unfall auf Willoughby, einem gut aussehenden und stürmischen Charakter ganz nach Mariannes Geschmack, der ihr Herz sofort erobert. Ihre Umgebung erwartet ganz klar einen baldigen Hochzeits Termin, doch  Willoughby bricht eines Tages seinen Aufenthalt unvermittelt ab, ohne klare Tatsachen zu schaffen.
Beide Dashwood Mädchen werden also in ähnlichen Situationen zurück gelassen und beide müssen noch einige unschöne Entdeckungen und Erfahrungen machen, doch gehen sie damit gänzlich unterschiedlich um...

Das große Thema dieses Romans ist ganz deutlich Verstand versus Gefühl und dabei ist Elinor Verstand und Marianne ist Gefühl. Beide befinden sich in ähnlichen Situationen, doch während Marianne auf sehr dramatische Weise ihrer Freude und auch ihrer Trauer freien Lauf lässt und somit alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, leidet Elinor sehr leise. Sie wird gezwungen aus ihrem Schmerz  ein Geheimnis machen, teils aufgrund eines Verprechen, teils  aus Rücksicht auf ihre Familie. Als Leserin mocht ich beide Mädchen, obwohl man mehr Sympathien mit Elinor hat, als mit Marianne (die ohnehin schon von allen beachtet wird). Ich glaube auch Jane Austen hat ihre Elinor sehr gemocht und das fühlt man einfach beim Lesen. Wobei sie die unterschiedlichen Charaktere sich sehr gekonnt in den Verlauf der Geschichte wiederspiegeln - Marianne nimmt sehr viel Platz ein, während Elinors Geschichte sehr viel ruhiger und subtiler nebenher verläuft. Was mich sehr fasziniert und auch (neben meinem romantischen Herz) eine der Hauptgründe dafür ist, warum ich dieses Buch so sehr liebe, ist, dass die Beziehung zwischen Elinor und Marianne so wundervoll ist und dass es eigentlich mehr um diese beiden Mädchen/Frauen und ihre Entwicklung geht, als um romantische Verwicklungen. Beide Figuren brauchen keinen männlichen Konterpart um interessant zu sein. Eine meiner Lieblingszenen des Buches ist relativ am Schluß, in der sich Marianne bei Elinor für ihr Verhalten entschuldigt. Wobei ich nicht denke, dass Jane Austen hier nur ein Plädoyer für den "Verstand" geschrieben hat, sondern es durchaus auch dafür einmal laut seine Gefühle zu zeigen. Ich war als Teenager sicher mehr ein Marianne (zum Beispiel hatte ich mit meinem Liebesleben mit 16 abgeschlossen, da mich der Auserwählte so gar nicht beachtet hat und sich ein zweites Mal zu verlieben für mich nicht in Frage kam. Schließlich liebt man nur einmal, nicht wahr) und inzwischen versuch ich mehr eine Elinor zu sein. Aber Mariannes Euphorie und ungefiltertes Erleben muss und soll auch einen Platz haben.

"... and she thought with the thought with the tenderest compassion of the violent sorrow which Marianne was in all probability not merely giving way to as a relief, but feeding and encouraging as a duty."

Den einzigen Minuspunkt gibt es von mir für Colonel Brandon, der ja anscheinend von Anfang an Marianne verfallen ist. Man erfährt von seinem Gefühlszustand hauptsächlich durch andere, da er selbst eher von der ruhigeren Sorte ist. Es hat sich für mich während der ganzen Geschichte nicht erschlossen, warum gerade er Marianne so bevorzugt - speziell nachdem man mehr über Brandon erfährt und wie es zu seinem eher melancholischen Charakter kam. Es wäre für mich persönlich nachvollziehbarer gewesen, wenn er zwar besonderen Anteil an ihrem Schicksal genommen hätte, aber nach seinen eigenen Erfahrungen und weil er hauptsächlich  mit Elinor Zeit verbringt (notgedrungen, da Marianne nicht an ihm interessiert ist), hätte er eigentlich logischerweise Elinor sein Herz schenken müssen. Aber das hätte die ganze Geschichte durcheinander gebracht und am Schluß werden beide Dashwood Schwestern bekommen, was sie sich wünschen. Darauf kann man sich bei Jane Austen verlassen und das ist auch gut so.

Jedenfalls eine große Empfehlung von mir und alle für die Northanger Abbey vielleicht etwas zu simpel gestrickt war, können sich hier auf eine etwas komplexere Handlung freuen.

Falls jemand Lust hat sich etwas über die Zeit in der Jane Austen gelebt hat zu informieren - hier eine wunderbare Seite: Jane Austen's World























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